DER ERSTE FOTOGRAF DER STADT ZOPPOT

John Faltin (1846–1920?)

John Faltin (Johannes Theodor) ist einer der bedeutendsten Fotografen in der Geschichte Zoppots. Zwar gab es schon früher Danziger Berufsfotografen, die in Zoppot ihre Urlaubsbilder machten, doch John Faltin war der Erste, der als Bewohner Zoppots fast 20 Jahre lang auf Glasnegativen die große Verwandlung des einstigen Sommerurlaubsortes in eine reiche, mondäne Stadt dokumentierte. Sein künstlerischer Werdegang wurde von zwei Hauptfaktoren beeinflusst. Der erste und wichtigste resultierte aus seinen Familienverhältnissen. John Faltin wurde im Jahre 1846 in Danzig geboren, also zu einer Zeit, als es die Fotografie bereits gab. Sein Vater Heinrich lernte relativ schnell die Vorzüge der neuen Erfindung zu schätzen und besuchte alle paar Jahre mit seiner Familie die Danziger Fotobetriebe. So wurde die Begeisterung für das neue Medium den Kindern praktisch in die Wiege gelegt. Doch um selbst fotografieren zu können, musste John Faltin über dreißig Jahre lang warten, weil der zweite von den oben genannten Faktoren die Weiterentwicklung der fotografischen Technologie war.

Die Ära der Fotografie begann am 18. August 1839, als in Paris die bahnbrechende Erfindung von Louis Daguerre offiziell vorgestellt wurde. Bereits 1840 kam nach Danzig der erste Fotoapparat aus Paris und es wurden kurz darauf die ersten Daguerreotypien mit Stadtansichten gemacht. Im Jahre 1841 stellte Joseph Petzval in Wien ein neues Objektiv vor, das die Belichtungszeit deutlich verkürzte und die Geburt der Berufsfotografie ermöglichte. In großen Städten entstanden dann ziemlich schnell die ersten Fotobetriebe, die Porträts auf Kupferplatten anfertigten – in nur einem Exemplar.

Im Mai 1843 funktionierten in Danzig schon drei Fotoateliers und einer der ersten Kunden im Atelier von Eduard Deplanque war der Vater von John Faltin, der den Laden in der Wollwebergasse (heute Tkacka Str.) mit seiner ganzen Familie besuchte und ein Porträt seiner vier Kinder bestellte. Es ist die älteste bekannte und in Danzig angefertigte Daguerreotypie, die sich heute in den Sammlungen der Nationalbibliothek in Helsinki befindet. Im Sommer desselben Jahres konnte man solche Porträts auch in Zoppot machen lassen. Einen Kurzurlaub machte hier nämlich der Apotheker Lipowitz aus Posen und bot einige Tage lang die Möglichkeit an, sich im Garten des Schwedenhofes von ihm porträtieren zu lassen.

In den darauf folgenden Jahren vergrößerte sich die Familie Faltin und der Vater beschloss, um 1851 ein weiteres Familienporträt auf einer Kupferplatte machen zu lassen. Für den damals fünfjährigen Johann war es der erste Besuch in einem Fotoatelier, in dem er sich zusammen mit seiner Mutter und vier Brüdern vor den Fotoapparat stellen durfte. Auf dem Bild fehlten lediglich seine Schwester Rosa und sein ältester Bruder Hermann, der nach Berlin verreist war. Es war auch das letzte gemeinsame Bild mit Bruder Richard, der einige Jahre später Danzig für immer verließ. 1856 zog Richard Faltin nach Finnland um.

Seitdem wurden Familienaufnahmen regelmäßig an Richard geschickt. Zum Glück verfügten die Fotobetriebe inzwischen über eine neue Technologie, die für bedeutend niedrigere Preise sorgte und die Anfertigung mehrerer Abzüge auf Papier von einem Glasnegativ ermöglichte.

Im Jahre 1855 begann auf der ganzen Welt die fotografische Revolution Carte de Visite, also Porträts auf Karton im Format 9,5 x 5.5 cm. 1861 ging Johann Faltin erneut zum Fotografen und bestellte erstes Porträt im Visitformat. Anschließend schickte er einen der Abzüge nach Finnland. Im selben Jahr fand eine wichtige Familienfeier statt. Am 29. August 1861 heiratete Rosa Faltin den jungen Kaufmann Constantin Zimssen, der nach Danzig zog und Inhaber einer renommierten Buchhandlung am Langen Markt 55 wurde.
In den Folgejahren bereitete sich der junge Johann auf den Beruf des Buchhalters und Kaufmannes vor und die ganze Familie wohnte in der Langgasse 13 in Danzig (heute Długa Str.). Währenddessen funktionierte im Nachbarhaus das Fotoatelier vom Herrn Ballerstaedt, in dem der König der Danziger Fotografie, Rudolf Theodor Kuhn arbeitete. Johns Vater bestellte bei ihm in Kürze ein Andenkenbild von dem Laden in der Langgasse 13.

Im Sommer 1863 begann auch die fotografische Geschichte der Stadt Zoppot, als der Danziger Fotograf Richard Gottheil mit seinem Fotoapparat in die Stadt kam, um Urlaub zu machen, und eines der ersten Glasnegative anfertigte.

Johann Faltin arbeitete nach Abschluss seiner Ausbildung einige Jahre lang als Helfer in der Firma seines Vaters, aber 1873 verließ er Danzig. Es begann die Belle Époque und wahrscheinlich ging er mit seinem Bruder Franz auf eine mehrjährige Reise durch Europa. Gebrüder Faltin wohnten in verschiedenen Ländern und schickten ihre Fotos regelmäßig an Richard. 1875 erkrankte Johanns Vater und verkaufte das Familiengeschäft – zwei Jahre vor seinem Tod.In Danzig blieben Mutter Emma, Bruder Hermann und Schwester Rosa. Wichtige Familienereignisse, die das weitere Schicksal Johns beeinflussten, ereigneten sich im Jahre 1890. In England verstarb sein Bruder Franz, Mutter erkrankte schwer und seine Schwester Rosa zog mit ganzer Familie nach Zoppot.

Im Herbst 1891 kam Johann nach Danzig zurück als John Faltin, was darauf hindeuten kann, dass er die letzten Jahre mit seinem Bruder Franz in England verbrachte. Dort begann auch im Alter von 40 Jahren sein Abenteuer mit der Fotografie. Möglich war es ausschließlich dank der neuen Technologie, der sog. Trockenplatte, die für alle verfügbar war. Von diesem Augenblick an konnte man in jeder Buchhandlung einen Satz fabrikneuer Fotoplatten aus Glas, die gebrauchsfertig zum Einsatz in jedem Fotoapparat waren. Es war eine große Veränderung bei der Arbeit der Fotografen und der Beginn der Amateurfotografie. Nach dem Fotografieren brauchte man nur im nächsten Fotobetrieb das Negativ entwickeln und Abzüge machen zu lassen.

Nach seiner Rückkehr nach Danzig war John Faltin bereits ein praktizierender Fotograf und anhand eines erhaltenen Fotos vom Dominik-Jahrmarkt im August 1892 weiß man, dass er die neueste Reporterkamera C.P. Goerz nutzte, die mit dem Anschütz-Schlitzverschluss und fünf Wechselkassetten aus-gestattet war. Nennenswert ist auch die Tatsache, dass dieser Fotoapparat im Sommer 1889 auf den Markt kam und 10 Sofortaufnahmen im Format 9 x 13 cm ermöglichte.

1892 verkaufte Familie Faltin ihr Familienhaus in der Langgasse 13 und im Oktober zogen alle nach Zoppot um. Ein halbes Jahr später verstarb Johns Mutter im Alter von 85 Jahren.

Anfangs wohnte er in der Seestraße 44, im Haus seiner Schwester Rosa und ihres Mannes, des Buchhändlers Ziemssen, doch bald zog er in die Danziger Straße um. Alles deutet darauf hin, dass John Faltin in der Firma seines Schwagers als Buchhalter arbeitete und in seiner Freizeit Zoppot fotografierte. Eine der ältesten Aufnahmen von John Faltin zeigt ein neues Haus am Zoppoter Marktplatz, in dem 1895 Constantin Ziemssen eine Buchhandlung und ein Musikgeschäft eröffnete.

Zum Glück erschien John mit seinem Fotoapparat zum richtigen Zeitpunkt in Zoppot. Nach der Inbetriebnahme der Bahnlinie im Jahre 1870 gewann Zoppot an Popularität und die Übernahme der Badeanstalt durch die Gemeinde im Jahre 1877 war der Beginn des großen Umbaus dieses Küstenortes. In den Folgejahren entwickelte sich Zoppot sehr dynamisch und wurde gerne von Berufsfotografen aus Danzig besucht. 1876 machte Rudolf Rogorsch eine der ersten Aufnahmen des Seesteges und zwei Jahre später Rudolf Theodor Kuhn ein ganzes Urlaubsfotoshooting. Im Sommer 1891 erschien in Zoppot mit seinem Fotoapparat Adalbert Gottheil und ein Jahr später Wilhelm Dreesen aus Flensburg, der eine ganze Bildserie für sein Fotoalbum mit Aufnahmen von Danzig und Umgebung vorbereitete.

In dieser Zeit verkaufte man Fotos in allen Formaten und nur als Abzüge auf Albuminpapier, die auf Firmenkarton aufgeklebt wurden. Wohlhabende Amateure wie John Faltin konnten die Abzüge in einem Fotoatelier bestellen, aber machten es meistens für den Eigenbedarf. Nicht bedeutungslos war auch die Tatsache, dass es in Zoppot erst seit Kurzem einige Filialen der Danziger Fotobetriebe gab, die hauptsächlich Porträts offerierten.

Alles veränderte sich jedoch 1896, als die ersten Fotopostkarten auf den Markt kamen. Der hochwertige Fotodruck führte zu Massenproduktion und niedrigen Preisen der Postkarten, wodurch man an ihnen gut verdienen konnte. Von diesem Augenblick an fing John Faltin an, Zoppot regelmäßig zu fotografieren und sein Schwager wurde zum ersten Herausgeber seiner Aufnahmen auf gedruckten Postkarten. Bereits im Jahre 1898 bot die Ziemssen-Buchhandlung eine große Auswahl an Postkarten mit Ansichten von Zoppot und Umgebung an. Die enorme Popularität Zoppots unter den Touristen führte gleichzeitig zum Wachstum des Absatzmarktes für Urlaubspostkarten, weswegen John schon bald seine Bilder auch an andere Herausgeber verkaufte. Seine Aufnahmen wurden in einigen Büchern und Reiseführern veröffentlicht, jedoch die meisten von ihnen blieben als Postkarten erhalten. Meiner Ansicht nach zeigen die meisten Zoppoter Postkarten aus den Jahren 1899–1913 Aufnahmen, die von John Faltin gemacht wurden, aber nicht auf allen ist sein Name zu sehen. Bekannt sind auch Postkarten mit seinen Aufnahmen von Danzig, Oliva, Hela und Leba, doch viele von ihnen gilt es noch zu entdecken.
John Faltin interessierte sich seit jungen Jahren für Fotografie, jedoch sein wahres Abenteuer mit dem Fotoapparat konnte er erst nach Vollendung des 40. Lebensjahres beginnen. Er war finanziell unabhängig, verfügte über ein künstlerisches Gespür und vor allem war er ein aufmerksamer Beobachter des Zoppoter Lebens. 1901 erhielt Zoppot das Stadtrecht und John dokumentierte in den 15 Folgejahren wichtige Ereignisse und Veränderungen in der Zoppoter Stadtlandschaft, weshalb er den Titel des ersten Fotografen der Stadt Zoppot verdient.

Ireneusz Dunajski